Störfall-Verordnung

Die Störfall-Verordnung (12. BImSchV) dient der Verhinderung von Störfällen und der Begrenzung von Störfallauswirkungen.

Die ursprüngliche Fassung datiert vom 27. Juni 1980. Am 8. Juni 2005 erfolgte eine Neubekanntmachung, mit der die Änderungen der Seveso-II-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wurden.

Im Folgenden werden die wesentlichen Inhalte der Störfall-Verordnung kurz zusammengefasst:

Die 12. BImSchV gliedert sich in vier Teile, von denen der dritte weggefallen ist.

 

Allgemeine Vorschriften Der erste Teil mit dem Titel „Allgemeine Vorschriften“ bestimmt den Anwendungsbereich und enthält Begriffsbestimmungen.

Die Verordnung ist für Betriebsbereiche anzuwenden, in denen gefährliche Stoffe vorhanden sind, die die in Anhang I Spalte 4 der Stoffliste genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten. Die in dieser Liste festgelegten Grenzwerte werden unterteilt in Grundpflichten (Spalte 4) und erweiterte Pflichten (Spalte 5).

Es werden die Begriffe gefährliche StoffeVorhandensein gefährlicher Stoffe, Störfallernste Gefahr und Stand der Sicherheitstechnik erklärt. Demzufolge ist ein Stoff gefährlich, wenn er in der Stoffliste in Anhang I aufgeführt ist und die Grenzwerte erreicht bzw. überschreitet. Ein Störfall ergibt sich aus einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs in einer unter diese Verordnung fallenden Anlage, die zu einer ernsten Gefahr oder zu Sachschäden nach Anhang VI führt. Ernste Gefahr ist definiert als Gefährdung menschlichen Lebens oder der Gesundheit einer großen Zahl von Menschen oder nachteilige Beeinträchtigung der Umwelt. Der Stand der Sicherheitstechnik meint den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Verhinderung von Störfällen oder zur Begrenzung ihrer Auswirkungen gesichert erscheinen lässt.

Vorschriften für Betriebsbereiche Der zweite Teil enthält Vorschriften für Betriebsbereiche und ist in drei Abschnitte unterteilt.

Zunächst gilt allgemein für Betreiber, dass sie Vorkehrungen treffen müssen, um einen Störfall zu verhindern. Betrachtet werden dabei

  • betriebliche Gefahrenquellen,
  • umgebungsbedingte Gefahrenquellen (wie Erdbeben oder Hochwasser) und 
  • Eingriffe Unbefugter,

sofern diese Gefahrenquellen oder Eingriffe nicht vernünftigerweise ausgeschlossen werden können.

Ist ein Störfall nicht zu vermeiden, müssen vorbeugend Maßnahmen getroffen werden, um die Auswirkungen so weit wie möglich einzudämmen.

Des Weiteren hat der Betreiber die Plicht, den Betrieb bei der Behörde anzuzeigen und ein Störfall-Verhinderungskonzept vorzulegen. Gelten für eine Anlage die erweiterten Pflichten, weil die Grenzwerte in Anhang I Spalte 5 überschritten wurden, so sind zusätzlich ein Sicherheitsbericht sowie Alarm- und Gefahrenabwehrpläne zu formulieren und die betroffenen Personen über die Sicherheitsmaßnahmen zu informieren.

Der dritte Abschnitt gilt den Behörden und erläutert die Kommunikations- und Überwachungspflicht der Betriebe. Dazu sind von Seiten der Behörde in bestimmten Zeitabständen Berichte zu verfassen. Hier wird auch auf den sogenannten „Domino-Effekt“ eingegangen, demzufolge die Behörde feststellen muss, ob sich verschiedene Betriebsbereiche an einem Standort hinsichtlich Störfällen gegenseitig beeinflussen könnten. 

Meldeverfahren, Schlussvorschriften Der vierte Teil regelt das Meldeverfahren und enthält die Schlussvorschriften. Bei Eintritt eines Ereignisses nach den Kriterien des Anhangs VI muss der Betreiber dieses den Behörden unverzüglich melden und schriftlich anzeigen.

Anhänge Anhang I betrifft die „Anwendbarkeit der Verordnung“ und enthält die bereits genannte Stoffliste mit den Mengenschwellen.

Zunächst sind die einzelnen Stoffe und Kategorien mit den in der Stoffliste aufgeführten Mengenschwellen zu vergleichen. Betrachtet werden dabei stets die Höchstmengen, die zu irgendeinem Zeitpunkt vorhanden sind oder sein können. Gefährliche Stoffe mit einer Menge < 2 % der relevanten Mengenschwelle können jedoch bei der Berechnung der Gesamtmenge unberücksichtigt bleiben, sofern sie nicht einen möglichen Auslöser eines Störfalls an einem anderen Ort des Betriebsbereichs darstellen.

Anschließend ist zu prüfen, ob das Gefahrenpotenzial der Anlage nicht durch die Aufsummierung mehrerer kleinerer Stoffmengen die Mengenschwellengrenze erreicht und damit zur Anwendbarkeit der Störfall-Verordnung führt (sogenannte Quotientenregel).

Dazu werden die Mengen für die einzelnen Stoffe/Kategorien gemäß Anhang I aufsummiert und die Quotienten mit den jeweiligen Mengenschwellen gebildet. Die Quotienten desselben Gefahrenpotenzials werden dann addiert.

Die Quotientenbildung ist jeweils für die Mengenschwellen der Spalte 4 und 5 (siehe oben) durchzuführen. Ist die Summe der Quotienten eines Gefahrenpotenzials ≥ 1, ist die Störfall-Verordnung anzuwenden.

Formel: q1/Q1 + q2/Q2 + q3/Q3 + q4/Q4 + q5/Q5 + ... qx/Qx ≥ 1

Da die Quotientenregel in der Praxis oft mit Schwierigkeiten verbunden ist, hat unter anderem Jürgen Dunsche  ein Excel-Tool entwickelt, das als Hilfsmittel verwendet werden kann. Der Betreiber muss lediglich die jeweiligen Mengen der einzelnen Stoffe eintragen, und das Programm ermittelt dann, ob, und wenn ja, in welchem Rahmen die Störfall-Verordnung Anwendung findet.

Anhang II fasst die „Mindestangaben im Sicherheitsbericht“ zusammen. Diese sind:

  1. Informationen über das Managementsystem und die Betriebsorganisation im Hinblick auf die Verhinderung von Störfällen
  2. Beschreibung des Umfelds des Betriebsbereichs: örtliche Lage, Schutzzonen, Zugänglichkeit, meteorologische, geologische und hydrografische Daten, Vorgeschichte des Standorts 
  3. Anlagenbeschreibung: 
    - wichtigste Tätigkeiten  
    - Produkte
    - sicherheitsrelevante Anlagenteile                        
    - Störfälle: Gefahrenquellen, Bedingungen, vorgesehene Maßnahmen zur Verhinderung             
    - Verfahren: Verfahrensabläufe, Fließbilder                
    - gefährliche Stoffe: Verzeichnis mit Angaben zur Feststellung, chemischen Bezeichnung, CAS-Nummer und IUPAC-Nomenklatur   
      sowie zu Höchstmengen, Gefahren und H/P-Sätzen
  4. Ermittlung und Analyse der Risiken von Störfällen und Mittel zur Verhinderung solcher Störfälle
  5. Schutz- und Notfallmaßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen von Störfällen

Es muss gewährleistet sein, dass der Sicherheitsbericht vollständig, richtig und nachvollziehbar ist und die Anforderungen an Form und Struktur eingehalten wurden.

Anhang III enthält „Grundsätze für das Konzept zur Verhinderung von Störfällen und das Sicherheitsmanagementsystem“.

Anhang IV beschreibt „Informationen“, die „in den Alarm- und Gefahrenabwehrplänen“ enthalten sein müssen.

Anhang V berät, wie bei der „Information der Öffentlichkeit“ vorzugehen ist.

Anhang VI beschreibt unter dem Titel „Meldungen“ Kriterien und Inhalte, die den Behörden zu melden sind.

Um Anlagenbetreiber zu unterstützen, hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) den Leitfaden „Vollzugshilfe zur Störfall-Verordnung“ veröffentlicht. Dieser ist der Reihenfolge nach wie die Störfall-Verordnung aufgebaut und erläutert die rechtlichen Aspekte umfangreich und praxisorientiert.

Die Vollzugshilfe enthält zudem im Anhang zahlreiche Muster, wie beispielsweise eine Ereignismeldung aussehen könnte, und Checklisten für die Zusammenarbeit von Betreibern und Gefahrenabwehrbehörden zur Erstellung von Alarm- und Gefahrenabwehrplänen.

Darüber hinaus weist sie auf zusätzliche Hilfen hin. So sollen beispielsweise hinsichtlich der gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 der Störfall-Verordnung erforderlichen Darlegung, dass ein Konzept zur Verhinderung von Störfällen umgesetzt wurde und ein Sicherheitsmanagementsystem zu seiner Anwendung vorhanden ist (Punkt 1 im Sicherheitsbericht), die Leitfäden SFK-GS-24 Rev.1 (dieser Leitfaden wurde ersetzt durch den Leitfaden KAS-19) und SFK-GS-31 Rev.1 herangezogen werden.