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Urteil zur Abgrenzung von Abfall und Produkt

Das Verwaltungsgericht Neustadt geht davon aus, dass als Pflanzenringe verwendete Altreifen nicht als Abfall im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) zu qualifizieren sind (VG NeustadtUrteil vom 11.09.2015   - 4 K 162/15.NW).

Als Pflanzenringe verwendete Altreifen sind nicht als Abfall im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG zu qualifizieren

Der Landkreis Bad Dürkheim hat einen Grund­stücks­eigentümer im Landkreis zu Unrecht aufgefordert, die von ihm als Hangschutz terrassenförmig in die Erde eingebauten sowie als Pflanzringe auf dem Grundstück aufgestellten Altreifen zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Neustadt.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist Eigentümer mehrerer unbebauter Freizeitgrundstücke in Hanglage im Elmsteiner Tal. Im Januar 2014 wurde dem beklagten Landkreis Bad Dürkheim bekannt, dass auf diesen Grundstücken mehrere hundert äußerlich unbeschädigte Altreifen lagen. Der Kläger begann die Altreifen u.a. als Terrassenbefestigung zu verbauen, indem er diese terrassenförmig in den Untergrund bzw. die Böschung eingrub und anschließend bepflanzte. Weitere Altreifen baute er als Pflanzringe in den Boden ein.

Kläger soll Altreifen aller Art auf eigene Kosten vollständig entfernen und ordnungsgemäß entsorgen

Mit einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung vom 25. Februar 2014 gab der Beklagte dem Kläger auf, die auf seinen Freizeitgrundstücken angelagerten und teilweise schon in den Untergrund bzw. in die Böschung eingebauten Altreifen aller Art auf eigene Kosten vollständig zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen, da die Altreifen Abfall im Sinne des KrWG seien. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass er die erworbenen Grundstücke umgestaltet habe, da die Nutzung als Nutzgarten bei einem Hanggrundstück eingeschränkt sei. Er habe deshalb begonnen, mit Altreifen eine Terrassenbefestigung zu bauen. Es liege weder eine ökologische noch eine ästhetische Beeinträchtigung der Umwelt vor. Die Altreifen seien kein Abfall; auf deren Herkunft komme es nicht an. Die Nutzung der Altreifen als Terrassenbefestigung sei als erneute Nutzung unter Beibehaltung der Produktgestaltung anzusehen. Auch anderweitig würden Altreifen beispielsweise als Fender an Wasserfahrzeugen, als Pufferzonen im Wassersport und zur Beschwerung von Folien auf Mieten verwendet.

Altreifen wurde sinnvolle Zweckbestimmung gegeben

Nach Zurückweisung seines Widerspruchs erhob der Kläger im Februar 2015 Klage und führte ergänzend aus, er habe die Reifenüber das Internetportal „Quoka“ erworben, in dem die Vorbesitzer die Altreifen kostenlos z.B. zur Beschwerung von Mietenabdeckungen in der Landwirtschaft angeboten hätten. Er habe den Altreifen eine sinnvolle Zweckbestimmung gegeben; sie seien deshalb kein Abfall.

Als Pflanzringe dienende Altreifen sind nicht als Abfall anzusehen

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße gab der Klage statt und führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung nicht gegeben seien, da die Altreifen, die der Kläger als Pflanzringe (auch) für die Befestigung und den Ausbau der Terrasse auf seinen Freizeitgrundstücken im Elmsteiner Tal verwende, nicht als Abfall im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG zu qualifizieren seien.Abfall seien nach dieser Vorschrift alle Stoffe oder Gegenstände, deren sich ihr Besitzer entledige, entledigen wolle oder entledigen müsse. Vorliegend sei keine der drei gefahrenabwehrrechtlich ausgerichteten Entledigungsvarianten gegeben.

Objektive Entledigungshandlung nicht erkennbar

Eine tatsächliche objektive Entledigungshandlung sei hier nicht festgestellt. Der Kläger habe als aktueller Besitzer die tatsächliche Sachherrschaft an den ihm von den Vorbesitzern geschenkten Altreifen bereits mit der Zweckbestimmung begründet, diese für den Terrassenbau und die Bepflanzung des Gartens zu verwenden und realisiere diese Zweckbestimmung ohne Unterbrechung oder Aufgabe der ursprünglichen Zweckbestimmung.

Altreifen sind nicht als gefährlicher Abfall zu klassifizieren

Es lägen auch nicht die Voraussetzungen für eine Entledigungspflicht vor. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass die Altreifen, die auch nicht in der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis als gefährlicher Abfallklassifiziert seien, nach dem Einbau in den Untergrund bzw. die Böschung der unbebauten Freizeitgrundstücke des Klägers und deren Bepflanzung in ihrer konkreten Funktion als Hangschutz und Pflanzringe geeignet wären, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit zu gefährden.

Schließlich fehle es auch an dem Willen zur Entledigung von Stoffen oder Gegenständen im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG. Dies könne allenfalls dann angenommen werden, wenn keine sinnvolle Verwendungsmöglichkeit des Gegenstandes mehr bestünde. Dies sei hier nicht der Fall. Für Altreifen gebe es zahlreiche Weiter- und Wiederwendungsmöglichkeiten, die häufig und weit verbreitet unmittelbar an die Stelle der ursprünglichen Zweckbestimmung träten. So würden in Informationsblättern des Bundesumweltamtes vom Juni 2014 und des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vom November 2013 mehrere geeignete Weiterverwendungen für Altreifen (Beschwerung von Mietenabdeckungen in der Landwirtschaft, Aufprallschutz in Hafenlagen, Spielgeräte in Form von Schaukel oder Schaukelpferd) genannt.

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